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Es ist nicht das klassische Städte-Reiseziel in der Türkei, und doch ist Diyarbakir was die Sehenswürdigkeiten angeht nicht unbekannt. Wird doch die Altstadt von einer 5,5 Kilometer langen Festungsmauer aus schwarzen Basaltblöcken umgeben. Sie gilt als eine der längsten erhaltenen Stadtmauern der Welt. Die Redaktion der Globetrotter-Seiten hat Diyarbakir im Rahmen einer Journalistenreise des Kulturforums Türkei-Deutschland im April 2007 besucht. Dieses Kapitel befasst sich daher nicht nur mit den touristischen Aspekten sondern gibt auch Eindrücke und Auszüge aus Gesprächen vor Ort wieder.
Diyarbakir ist geprägt von extremen Kontrasten und beschert dem Besucher ein Wechselbad der Gefühle. Triste, graue Vorstädte, wo die Menschen in ärmlichen Verhältnissen leben müssen, auf der einen Seite, schicke Mega-Einkaufs-Center mit Nobel-Boutiquen und modernen Supermärkten unter schweizer![]() ![]() GeschichteBis in die Zeit der Churriter, um 3000 v. Chr. reicht die Geschichte der Stadt zurück, die in der Folge von Urartäern, Assyrern und Persern besiedelt war. Die Römer machten 115 n. Chr. aus Amida, wie Diyarbakir zu jener Zeit hieß, zur Hauptstadt der Provinz Mesopotamien. Die Byzantiner mussten die Stadt gegen Angriffe der Sassaniden verteidigen. In dieser Zeit – um 349 &nadsh; ließ deshalb Kaiser Konstantin die Stadtmauer als Befestigung erbauen. 636 eroberten die Araber Amida, und mehrere Stämme hatten das Sagen: Omaijaden, Abassiden, Marwaniden und auch ein Stamm namens Beni Bakr. Sie gaben der Stadt ihren heutigen Namen: Diyar-Bakir, was soviel wie Land der Bakr bedeutet. EEs folgten die Seldschuken (1085), Ortokoiden und im 13. Jahrhundert die Mongolen unter Dschingis Khans Enkel Hulaghu. Ende des 14. Jahrhunderts erkoren die Akkoyunlu, ein Turkmenenstamm Diyarbakir zu ihrer Hauptstadt. Sultan Selim I.![]() ![]() Geographische LageDiyarbakir liegt in einem recht flachen Basaltplateau westlich des oberen Tigris (Dicle) am Schnittpunkt wichtiger Haupthandelsrouten, die Anatolien mit dem Iran, dem Persischen Golf und Mesopotamien verbinden. Aufgrund von künstlicher Bewässerung und mit Hilfe mehrerer Staudämme zwischen Euphrat und Tigris ist die Umgebung der Stadt trotz des heißen und trockenen Klimas recht fruchtbar. Hier ist seit gut 15 Jahren eine intensivere Landwirtschaft als zuvor möglich, heißt es in einem Faltblatt der Stadt. Das Land soll zu großen Teilen in Besitz von Clans sein. Getreide, Baumwolle und Tabak und vor allem Melonen werden angebaut. Die Mega-Melonen von bis bis zu 50 und mehr Kilogramm gelten als das heimliche Wahrzeichen von Diyarbakir. Ihnen ist an einer der Ausfallstraßen ein Denkmal gewidmet.![]() Soziale Lage / BildungDie Stadt zählte 1990 rund 275.000 Einwohner, heute (2007) sind es laut Statistik 935.000 Menschen im Großraum Diyarbakir, wahrscheinlich sogar deutlich mehr als eine Million. Hunderttausende Landbewohner, die durch den türkisch-kurdischen Krieg obdach- und erwerbslos![]() ![]() Oder aber sie versuchen ein paar wenige Türkische Lira mit dem Verkauf von Papiertaschentüchern zu verdienen. Angesichts der großen Schar dieser kleinen Händler, die einen etwa bei der Besichtigung der Großen Moschee umringt, wird der Tourist entweder dem penetranten Drängen nachgeben oder aber vor Verzweiflung davonlaufen. Letzteres hat jedoch nur bedingt Erfolg, denn die Taschentuch-Verkäufer sind hartnäckig – und das müssen sie wohl auch sein, wenn sie in dieser Stadt über die Runden kommen wollen. Ungleich bessere Startchancen haben die rund 20.000 Studenten, die an der Universität in Diyarbakir – weithin sichtbare Gebäudekomplexe östlich des Tigris – ausgebildet werden. Wirtschaft / InfrastrukturHoffnung setzen die Verantwortlichen in Diyarbakir auf die EU und wirtschaftliche Investitionen aus dem Ausland, etwa aus Deutschland, wo viele Menschen aus Diyarbakir und Umgebung leben.![]() ![]() Von der Europäischen Union fließen bereits Gelder in die südostanatolische Stadt Diyarbakir. So werde die Wiederherstellung der historischen Altstadt mit rund einer Million Euro gefördert, heißt es. Wer die Stadt nach Regen besucht, mag sich jedoch verwundert fragen, wo die Fördermittel wohl versickert sind: Aufgeweichte, matschige Gassen, wild verzweigte, frei baumelnde Stromleitungen, viele baufällige Häuser und vermutlich auch viel Nachholbedarf, was das Kanalnetz angeht – soweit die ersten, nicht verifizierten Eindrücke. Auf den Hauptstraßen der Altstadt wurde jedenfalls der Belag erneuert. Es scheint eben doch voran zu gehen – Schritt für Schritt für Schritt. Einige der historischen Gebäude wurden bereits saniert, eine unterirdisches Parkhaus wird gebaut und die Grünanlagen entlang der Stadtmauer sehen gar unerwartet gepflegt aus. Wie gesagt, dies sind Eindrücke eines nur kurzen Besuchs in der Stadt. ![]() Stadtmauer und ToreMächtig und trotz ihres hohen Alters recht gut in Schuss präsentiert sich die Stadtmauer, die auf fünfeinhalb Kilometer den Bezirk Sur, die![]() ![]() Bis zu fünf Meter dick und zwischen zehn und 15 Meter hoch ist die aus massiven Basaltblöcken erbaute Stadtmauer. Insbesondere an ihren Türmen und Bastionen sind anhand von Inschriften Reliefs oder Pfeilern die verschiedenen Epochen ihrer Entstehung zu erkennen. Besonders reichhaltige Dekorationen und Inschriften findet man am Yedi Kardes-Turm westlich des Mardin-Tors – über der Inschrift von 1208 findet man ein Relief mit zwei Löwen sowie das Symbol der Seldschuken, einen doppelköpfigen Adler –, am Ben-U Sen-Turm zwischen Urfa-Tor und Turm der Sieben Brüder – geschmückt mit ![]() ![]() Große Moschee / Ulu-MoscheeAls eine der ältesten Moscheen der Türkei gehört die Ulu-Moschee (Große Moschee) zum Pflichtbesichtigungsprogramm im Bezirk Sur, der Altstadt. Wann genau das Gotteshaus als christliche Thomas-Kirche erbaut wurde, ist nicht genau überliefert. 639 wandelten moslemische Araber sie in die erste Moschee der Türkei um. Unter Seldschuken-Sultan Malik Schah wurde das Gebäude 1091 umfassend restauriert und auch später immer wieder restauriert, vergrößert beziehungsweise![]() ![]() Kasim Padisah MoscheeWer siebenmal unter den vier Stützen hindurchgeht, bekommt einen Wunsch erfüllt. Das sagen die Einheimischen über den am Rand einer schmalen, unscheinbaren Gasse stehenden quadratischen Minarett-Turm der Kasim Padisah Moschee. Die Moschee, die einige Meter von ihrem »vierbeinigen« Minarett entfernt unscheinbar ihr Dasein hat, wurde im 15. Jahrhundert von Sultan Kasim erbaut. Die vier zwei Meter hohen Säulen sollen, so ist in einem Faltblatt über die Stadt Diyarbakir nachzulesen, die vier Konfessionen des Islam und der Minarett-Baukörper mit seinen schwarz-weiß abwechselnden Steinreihen die Islamische Religion selbst symbolisieren. Die Kasim Padisah Moschee befindet sich in der Strasse Yenikapi.![]() Altstadt-ArchitekturNur wenige Schritte von der Großen Moschee im Herzen der Altstadt entfernt liegt in einer Seitengasse das Geburtshaus des türkisch-kurdischen Dichters Cahit Sitki Taranci. Es gilt als eindrucksvolles Beispiel typischer alter Altstadt-Architektur von Diyarbabik-Sur. Der Gebäudetrakt![]() ![]() In dem Gebäude ist das Cahit Sitki Taranci Museum untergebracht. Es zeigt einige Exponate aus dem Leben des Dichters und spiegelt das Leben jener Zeit wider. Verschiedene ethnografische ![]() Kirchen und RuinenDiyarbakir war Heimat vieler Ethnien und vieler Religionen. Neben einer stattlichen Anzahl an Moscheen zeugen im Altstadt-Bezirk Sur heute mehrere Kirchen beziehungsweise deren Ruinen davon. So lebten einst viele Christen in der Stadt – Gregorianer (Armenier), Yakubi (Suryani-Kadim), Orthodoxe (Griechen), Assyrer (Nasturianer) und Keldaner –, doch ihre Zahl verringerte sich während des frühen 20. Jahrhunderts. Von den vielen Kirchen sind nur wenige erhalten geblieben. Will man sie besuchen beziehungsweise besichtigen, muss man meist um Einlass bitten, denn sie verbergen sich im Gassengewirr der Altstadt hinter hohen Mauern und schlichten Eingangstüren – und nicht immer weist ein Schild auf sie hin, so dass man sich nicht selten auch durchfragen muss.![]() Kirche der Heiligen MariaTeile der Kirche der Heiligen Maria (Merymen Ana Kilisesi) in der Ana-Straße im Westen der Altstadt stammen aus dem 3. Jahrhundert. Über die Jahre wurde sie mehrfach![]() |
![]() Vom Innenhof aus betrachtet, fällt das Mauerwerk mit den weißen Fugen und darin eingelassenen Bögen und Bändern in rötlichen Steinen auf. Säulen und Rundbogen bilden einen überdachten Kirchenzugang. Schwarz-weiße Basaltwände mit armenisch-arabischen Einflüssen sowie weitere Reliefs und Schriftzüge verzieren ![]() ![]() ![]() ![]() Keldani-Kirche![]() ![]() ![]() ![]() Ihr genaues Alter ist nicht bekannt, vermutlich wurde die Keldani-Kirche aber im 17. Jahrhundert errichtet. Als Baumeterial wurde wie für viele andere Gebäude Diyarbakirs schwarzer Basaltstein. Säulenbogen unterteilen die vier Kirchenschiffe, rund um den Innenraum befinden sich mehrere Nischen mit Heiligenbildern, ein diamantförmiger zweifarbiger Steinfußboden ist vor der Abszisse zu sehen. Im Innenhof neben der Keldani-Kirche öffnet sich der Blick auf die Nachbargrundstücke hinter den hohen Mauern – dort ist unter anderem eine Ruine mit hohen Fensterbögen zu sehen, die möglicherweise zu einem früheren Kirchenbau zählten. ![]() Surp Giragos Armenische KircheKaum mehr als die Grundmauern sind von der Georgs-Kirche geblieben, die armenische Surp Giragos Kirchein der Yeni Kapi Straße, unweit der Keldani-Kirche. Hat man den Zugang zum Gelände![]() ![]() Weiterhin fallen zwei Reliefs im Mauerwerk über dem Kirchenportal auf. Das eine aus hellem Stein zeigt Symbole und Schriftzeichen, das ![]() ![]() Wann die Georgs-Kirche ursprünglich erbaut wurde, ist nicht klar. Die wenigen Angaben, die sich recherchieren lassen reichen vom 4. Jahrtausend bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Offenbar ist sie mehrfach Bränden zum Opfer gefallen und wieder aufgebaut worden. So brannte die Kirche 1881 komplett ![]() ![]() Tigris-Brücke und 40er-BergEtwa drei Kilometer südlich der Altstadt überspannt eine sehenswerte Brücke aus behauenem Basaltstein den Tigris. Die »Zehn-Augen-Brücke«, wie sie von der Bevölkerung genannt wird, hat zehn Bogen unterschiedlicher Weite. Sie wurde 1065 von Übeydoglu Yusuf während der Merwanid-Dynastie erbaut, heißt es in einem touristischen Faltblatt der Stadtverwaltung. An den Ufern des Tigris grasen Ziegen und Schafe. Folgt man der Straße den Hügel hinauf, komme man auf den so genannten 40er-Berg, erklärt der Guide der Journalistengruppe. Der Name stamme von einer Kirche, die es dort gegeben habe. Die Tigris-Brücke spiele noch heute eine wichtige Rolle: Jedes Jahr zum Opferfest würden die Menschen ihre Wunschzettel von hier in den Fluss werfen.![]() Gespräch mit Abdullah DemirbasEtwas schönes kann sich nur entwickeln, wenn man sich dafür einsetzt". Der, der das im April 2007 gesagt hat, ist Abdullah Demirbas, Bürgermeister des Bezirks Sur, der Altstadt von Diyarbakir. Wenige Monate später wurde der Soziologe seines Amtes enthoben. Er hatte sich offenbar – mit Unterstützung der Mehrheit seines Stadtrates – zu viel eingesetzt.![]() »Gesellschaftliche Desinformation«Demirbas bestreitet sämtliche Vorwürfe. Seinen Kritikern hält er im Gespräch mit den deutschen Journalisten zugkräftige Argumente entgegen. Die etwa drei Millionen Türken in Deutschland würden fordern, ihre Sprache in Anspruch nehmen zu dürfen. Sie wüden aber in der Türkei den Kurden ihre Sprache verbieten wollen. »Das ist gegen die Menschenrechte« betont der agile Bürgermeister. Und dass es wunderbar funktioniere, die Verschiedenartigkeit der Menschen zu akzeptieren, dafür sei die EU das beste Beispiel – deren Mitglieder würden 27 Sprachen sprechen, so Demirbas.![]() Im weiteren Verlauf des Gespräches findet der Bürgermeister von Sur noch viele deutliche Worte, kritisiert etwa, es gebe in der Türkei »Kreise, die Demokratie nicht wie wir sehen«, spricht von »gesellschaftlicher Desinformation«. »Nur weil in der Türkei Gesetze verändert werden, heißt das nicht, dass sie auch umgesetzt werden« so Demirbas weiter. Menschen würden bestraft und angeklagt, obwohl sie im gesetzlichen Rahmen handeln würden. Demirbas erklärte sich einige Wochen später bereit, sein Amt wie im Beschluss des obersten Verwaltungsgerichts der Türkei gefordert formell an den stellvertretenden Gouverneur zu übergeben. Er kündigte an, bei den anstehenden Kommunalwahlen wieder zu kandidieren. »Repression« und »Staatsterror«Die Amtsenthebung Demirbas und die Auflösung des Stadtrates sei »Staatsterror«, kritisiert einen Tag später die Sozialistische Partei Kurdistans (PSK). Das Verfahren zeige eindeutig, »dass es sich bei den von der AKP-Regierung durchgeführten Gesetzesänderungen im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen nur um Augenwischerei handelt«. Unterstützung erfährt der seines Amtes enthobene Demirbas von allen 54 DTP-Bürgermeistern in der Türkei. Diyarbakirs Oberbürgermeister Osman Baydemir verkündete folgende gemeinsame Erklärung: »Niemand sollte daran zweifeln, dass wir sowohl im Alltagsleben als auch bei bestimmten Dienstleistungen die kurdische Sprache, die Teil des Reichtums der Türkei ist, weiterhin benutzen werden. Wenn es eine Straftat darstellt, kurdisch zu sprechen, dann begehen wir diese Straftat täglich und werden es weiter tun.« Auch Baydemir – wie Demirbas gehört der Oberbürgermeister von Diyarbakir der DTP an – ist Repressalien ausgesetzt. Unter anderem musste er sich in einem Strafverfahren verantworten, weil er eine mehrsprachige Neujahrs-Glückwunschkarte verschickt hatte, in der auch das kurdische Newroz erwähnt worden war. Etwa 60 Ermittlungsverfahren sollen gegen ihn anhängig sein, heißt es in einem Hintergrundbericht von Jutta Hermanns auf der Website des »Demokratischen Türkeiforums«. Auch ihn traf die Redaktion der Globetrotter zusammen mit der Gruppe deutscher Journalisten im April 2007.![]() Armut und ArbeitslosigkeitIn Baydemirs Vision von Diyarbakir ist die Stadt ein Kunst- und Handelszentrum im mittleren Osten, ganz so wie sie es in ihrer 7000-jährigen Geschichte bereits gewesen sei. Vom Wohlstand ist die südostanatolische Provinzhauptstadt indes noch weit entfernt. Das zeigen die Zahlen, die der Oberbürgermeister nennt: Die rund 935.000 Einwohner, die die Statistik in der Stadt und im Umkreis![]() ![]() Kampf gegen WindmühlenEs werde versucht, so gut es geht, die Situation der Menschen zu verbessern. Beispielsweise würden 400 Kinder Stipendien erhalten, damit sie zur Schule gehen können, erzählt Baydemir. Darüber hinaus bekämen 400 Jugendliche Stipendien für ein Studium. »Wir haben eine Universität mit 20.000 Studenten«,![]() ![]() Informationen:Nähere Informationen über Diyarbakir und Hintergründe über die aktuelle Lage gibt es im Internet zum Beispiel unter folgenden Adressen:![]() ![]() ![]() ![]() |
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