Quedlinburg: Dornröschenschlaf im Schatten Wernigerodes

Provinz, aber ganz und gar nicht provinziell / Welterbestadt mit Fachwerk- und Reliquienschätzen

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Provinz, aber ganz und gar nicht provinziell – das ist Quedlinburg am Rande des Nordharzes. Die über 1000-jährige mittelalterliche Stadt besticht den Besucher in erster Linie mit einer beschaulichen Altstadt, die wegen ihres geschlossenen Stadtbildes 1994 in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco aufgenommen wurde. Lange Jahre hat Quedlinburg den Dornröschenschlaf im Schatten Wernigerodes geträumt. Und ein bisschen ist das immer noch so.

Quedlinberg gilt mit seinen vielen Fachwerkhäusern als größtes Flächendenkmal einer mittelalterlichen und nachmittelalterlichen Stadtbebauung.












Fachwerk in winkeligen Gassen

Reich verzierte Fassade Für die etwa 25.000 Einwohner ist das verwunderlich, denn in Quedlinburg erfährt der Besucher einen unverfälschten Eindruck gewachsener Strukturen anstelle künstlicher Touristenkulisse. Dicht an dicht säumen rund 1200 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten die winkeligen Gassen. Ein großer Teil ist seit der Wende liebevoll saniert worden. Im Rahmen einer Stadtführung entdeckt man den Farben- und Formenreichtum am besten. Immer wieder weisen die kundigen Begleiter auf bemerkenswerte Fachwerkdetail am Quedlinburger MarktplatzDetails hin, die dem flüchtigen Betrachter sonst entgehen würden: zum Beispiel prächtige Palmettenschnitzereien, so genannte niedersächsische Schiffskehlen mit walzenförmigen Balkenköpfen oder Beispiele des schlichteren »Quedlinburger Sonderstils« mit farbig gestalteten Balkenköpfen im Diamantschnitt und St. Andreaskreuz in den Brüstungsfenstern.

Neben Spruchbändern mit Datierungen an einigen Gebäuden sind es eben diese unterschiedlichen künstlerischen Ausgestaltungen der Ornamente und Balkenköpfe, die Experten die zeitliche Zuordnung der Schmal: Fachwerkhaus am Durchgang zum HookenFachwerkhäuser in die verschienenen Stilepochen ermöglicht : gotisch (bis etwa 1320), niedersächsisch (1534 bis etwa 1620), barock (»Quedlinburger Sonderstil«1621 bis zirka 1750) sowie Klassizismus (bis etwa 1830). Da Quedlinburg von goßflächigen Zerstörungen etwa durch Brände verschont geblieben ist, ist eine stattliche Zahl an Fachwerkhäusern erhalten geblieben. Eines davon ist der Ständerbau von etwa 1320 in der Wordgasse, bei dem es sich um das älteste deutsche Fachwerkhaus handeln soll.

Wer sich beim Bummel durch das Zentrum mittelalterlicher Reichspolitik begleiten lässt, hört viel über die Geschichte der Stadt und des einstigen Damenstifts auf dem Burgberg, aber auch manche Anekdote. In Quedlinburg hatten über viele Jahre die Frauen das Sagen. Äbtissin Anna von Stolberg soll, so heißt es, gar den gesamten Magistrat der Stadt wegen Widerborstigkeit in Arrest genommen haben.

Fachwerkhaus in der Wordgasse in der Altstadt
















Texanischer Kunsträuber

Quedlinburg hat neben einer schmucken Altstadt auch einen echten Schatz zu bieten. Die Stiftskirche St. Servatius, hoch oben über der Stadt, beherbergt neben dem Domschatz von Aachen und dem von Halberstadt einen der bedeutendsten und wertvollsten Kirchenschätze des Mittelalters. Der Domschatz, zwölf kostbare Reliquien, verschwand 1945 nach der Besetzung durch US-Truppen und galt 45 Jahre lang als verschollen. Der texanische US-Offizier Joe Meador soll in den Nachkriegswirren Teile des Schatzes gestohlen und in seine Heimat geschafft haben. Erst 1992, als nach seinem Tod verschiedene Stücke auf dem internationalen Kunstmarkt auftauchten, gelang die Rückführung der Kleinodien nach Deutschland. Rund drei Millionen Dollar mussten Privatleute und die Kunststiftung der Länder dafür aufwenden.

In der Stiftskirche St. Servatius auf dem Schlossberg (Burgberg) hoch über den Dächern von Altstadt und Westendorf wird heute wieder der Domschatz gehütet. Eines der wertvollsten Stücke ist das Samuhel-Evangeliar, eine karolingische Handschrift des Mönches Samuhel aus dem 9. Jahrhundert in Gold auf Pergament, geschützt durch einen prächtigen vergoldeten und mit Perlen, Edelsteinen und Elfenbeinrelief geschmückten Buchdeckel. Weiteres kostbares Exponat ist der Bartkamm Heinrichs I.. Der Elfenbein aus dem 7./8. Jahrhundert stammt aus Syrien. Äbtissin Agnes von Meißen fügte der Stiftssammlung um 1200 ein textiles Kunstwerk hinzu: die fünf erhaltenen Teile dieses Knüpfteppichs zählen heute zu den ältesten Europas. Reliquienschreine, wertvolle Handschriften und ein mit purpurner Seide überzogener und mit feinster Filigranarbeit bedeckter Hirtenstab aus dem Jahr 999 sind weitere wertvolle Stücke des Quedlinburger Schatzes.

Rund um St. Servatius

Über den Burgweg gelangt der Quedlinburg-Besucher auf holprigem Kopfsteinpflaster hinauf auf zum Schloss. Nach Durchschreiten des Torbogens der Wehrmauer folgt das innere Burgtor mit Wächterstube. Daran schließt sich die Dechanei an, ein zweigeschossiger, barocker Fachwerkbau, der auf den massiven, spätmittelalterlichen Unterbau aufgesetzt wurde. Direkt im Anschluss befindet sich in einem spitzgiebeligen Fachwerkgebäude Schlosshof mit Blick auf den Biergarten der Gaststätte »Schlosskrug«seit 1931 der »Schlosskrug«. Durch eine der ältesten erhaltenen »Klöntüren« (1632) gelangt man in die Gasträume. Unter großen Kastanienbäumen lädt der Biergarten zur Rast ein. Von den Mauern des Schlossgartens aus bietet sich ein schöner Blick hinunter über die Dächer der Quedlinburger Altstadt. Im eigentlichen Schloss, das von 936 bis 1802 Sitz des Frauenstifts war, ist heute das Schlossmuseum untergebracht.

Zu den bedeutendsten Bauten der Romanik zählt die Stiftskirche St. Servatius. 936 wurde in der Krypta König Heinrich – und 968 seine Frau Mathilde – beigesetzt. 1021 erhielt die Kirche ihre heutige Größe, doch ein Großfeuer vernichtete 1070 sämtliche Bauten auf dem Burgberg. Der Wiederaufbau war 1079, rechtzeitig zu einem der vielen Reichstage, die in Quedlinburg abgehalten wurden, fertiggestellt. Bis heute ist die lombardische Kirchenbauarchitektur erhalten geblieben. Über der Krypta wurde um 1320 der gotische Hohen Chor errichtet.

Aus der Geschichte

Der Burgberg soll um 500 einem thüringischen Edlen namens »Quitilo« gehört haben – der Name Quedlinburg wird daher auf ihn zurückgeführt. Urkundlich erstmals erwähnt wird der Name »Quitilingaburg« indes erst 922. Um 900 erwarb das sächsische Geschlecht der Liudolfinger Ländereien um Quedlinburg. Der Ort wurde Sitz von Otto, einem der mächtigsten Fürsten des damaligen Ostfrankenreiches. Ottos Sohn Heinrich wurde 912 Sachsenherzog und sieben Jahre später in Fritzlar zum deutschen König gewählt. Quedlinburg hat er als seine Lieblingspfalz erkoren, und hier wurde er nach seinem Tode 936 auch beigesetzt – in der Krypta der Stiftskirche.

Blick auf Quedlinburgs Altstadt














Heinrichs Frau Mathilde (gestorben 968) hat die Geschichte Quedlinburgs maßgeblich mit geprägt. Sie erhielt von Heinrich die Erlaubnis, auf dem Burgberg ein adeliges Frauenstift zu gründen, das der Erziehung der Töchter des Königs und des sächsischen Hochadels diente. Nach dem Tode Heinrichs stattete sein Sohn Otto I. die Stiftung mit Schenkungen und Rechten aus. Das Reichsstift war als »Freiweltliche und Reichsunmittelbares Damenstift« nur dem Kaiser und dem Papst unterstellt, die Äbtissinnen hatten als Reichsverweserinnen sogar Sitz und Stimme im Reichstag. Von 966 bis 1802 regierten in Quedlinburg 39 Äbtissinnen und eine Pröbstin. Mit der wachsenden Macht des Bürgertums nahm der Einfluss der Äbtissinnen ab. 1802 wurde das Reichsstift an Preußen angegliedert und die landsherrlichen Rechte gingen auf den preußischen König über.

Rathaus und Roland

Prächtige Rosette im Festsaal des Rathauses Bei einem Stadtbummel durch Quedlinburg gibt es allerlei Sehenswertes zu entdecken. Im Herzen der Altstadt liegt der Marktplatz, auf dem nicht nur an Markttagen lebhaftes Treiben herrscht. Blickt der Quedlinburg-Besucher von seiner Südseite nach Norden fällt das stattliche, von Wein berankte Rathaus ins Auge. Erstmals urkundlich erwähnt wurde es 1310, Um- und Erweiterungsarbeiten erfolgten 1616 bis 1619 und von 1899 bis 1901. Über dem Renaissance-Portal ist das Stadtwappen zu sehen, linker Hand des Eingangs steht der zweitkleinste steinerne Roland Deutschlands als Symbol städtischer Freiheit und Gerichtsbarkeit. Ältester Teil des Roland vor dem Quedlinburger RathausRathauses ist der fensterlose gotische Turm (um 1460) an der linken Gebäudeecke. Lohnenswert ist auch ein Blick in den prachtvollen Festsaal (im Rahmen einer Führung) des Rathauses mit der herrlichen Glasrosette.

Der heutige Marktplatz entstand etwa 1230, nachdem Marktkirchhof und Hoken der Vorgängersiedlung zu klein geworden waren. Die imposanten Fachwerkhäuser rund um den Marktplatz waren einst von Kaufleuten als repräsentative Geschäfts- und Wohnhäuser errichtet. Dass einige von ihnen zudem als Speicher genutzt wurden, belegen Luken in den oberen Stockwerken. Innungshaus der Lohgerber war das Gebäude Markt 13 aus dem 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert bewohnte die Kaufmannsfamilie Kranz das Markt im Herzen der Altstadtstattliche Bürgerhaus am Markt 2. Einer der späteren Besitzer war der Tuchfabrikant Grünhagen, der dem Gebäude seinen Namen gab. Heute ist hier die Quedlinburger Tourist-Info untergebracht. Das Denkmal auf dem Marktplatz ist den »Münzenberger Musikanten« gewidmet.

Kunsthoken und Kornmarkt

Kunsthoken heißt das reich geschmückte Fachwerkhaus von 1569 in der Marktstraße 2.Die Doppelarkaden und Zahnschnittmotive der Fassade sind eine in Quedlinburg sonst nicht übliche Ornamentik. Das Gebäude wurde an die alte Marktmauer von 1179 angebaut, von der noch Reste im Innern des Hauses sichtbar sind. In der Straße Kornmarkt nördlich der Marktkirche stehen drei weitere sehenswerte Häuser: Hausnummer 5 ist das Palais Salfeld, 1737 vom gleichnamigen Stadtkämmerer errichtet, Hausnummer 7 (erbaut 1690) beherbergte bis 1850 die Ratswaage und am Standort von Gasse in der AltstadtHausnummer 8 hat die Ratsapotheke einen neuen Platz gefunden, nachdem sie am ehemalligen Standort 1615 im Zuge der Umgestaltung der Rathausfassade abgebrochen wurde. Die Kugel und die Jahreszahl 1477 an der Fassade erinnern an die Kämpfe zwischen Stift und Stadt unter Äbtissin Hedwig von Sachsen. Eine der schönsten Fachwerkfassaden hat das Gildehaus »Zur Rose« in der Breiten Straße 39. Zimmermannszeichen, Adler und Stiftswappen zieren die Front ebenso wie das Lauchbündel, Zeichen der Bauherrenfamilie namens Lauch.

Fenster-Läden und Klön-Türen

Von der Breiten Straße zweigt der »Stieg« ab. Hier steht das Haus »Alter Klopstock« (Nummer 28), 1580 im niedersächsischen Stil erbaut. Auf Höhe des Rathauses findet der Quedlinburg-Besucher die schmalste Gasse der Stadt mit Namen »Schuhhof«. Es handelt sich um den Hof des Schuhmacherinnungshauses. Hier wohnten und arbeiteten die Schuhflicker der Fensterläden im SchuhhofStadt in kleinen, hoflosen Häusern mit einem besonderen Merkmal. Diese besitzen zum Teil noch heute »Fenster-Läden« im ursprünglichsten Sinne des Wortes – herunterklappbare Läden, die mit einem Stock abgestützt als Verkaufstheke genutzt wurden. Auch sind hier die so genannten »Klön-Türen« zu sehen – zweigeteilte Türen, über die hinweg ein Plausch mit den Nachbarn möglich war, ohne dass Tiere von der Straße ins Haus gelangen konnten.

Unweit des südöstlichen Endes des Marktplatzes befindet sich die Steinbrücke, die zwei Nebenarme der Bode überspannt. Unter dem heutigen Pflaster blieben die 23 Brückenbögen der etwa 85 Meter langen steinernen Brücke von 1229 erhalten geblieben. Ältestes deutsches Fachwerkhaus: Ständerbau im WordHier zweigt auch die Wordgasse ab, in der der Ständerbau, Deutschlands ältestes Fachwerkhaus, zu sehen ist. Bei dieser Urform des Fachwerkbaus stützen Pfeiler, Säulen oder Ständer das Gebäude. Bis 1965 war der Ständerbau in der Wordgasse 3 bewohnt und nach seiner Restaurierung wird es als Museum (Fachwerkmuseum) genutzt. Ganz in der Nähe steht die St. Blasii-Kirche, die als älteste der Stadt gilt. Seine heutige Form erhielt das achteckige Kirchenschiff bei einem vollständigen Neubau 1715. Ihr romanischer Turm lässt Experten vermuten, dass die Kirche schon lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung 1231 bestand.

Westendorf: Am Fuße des Schlossberges

Beim Gebäude »Weißer Engel« an der Ecke Lange Gasse - Altetopfstraße, im 17. Jahrhundert vermutlich als Stiftsgasthof erbaut, beginnt das Westendorf. Dabei handelt es sich um den Stiftsbezirk, der Finkenherdbis zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine eigenständige vom freiweltlichen Frauenstift verwaltete Kommune bildete. In der repräsentativen Langen Gasse sollen die höheren Beamten des Stifts gelebt haben, während in den schmalen, kleinen, spitzgiebeligen Fachwerkhäusern die von der Frauenherrschaft abhängigen Handwerker und Tagelöhner wohnten. Nach wenigen Schritten ist der Finkenherd erreicht. In dieser beschaulichen, malerischen Gasse mit hübsch hergerichtetem Fachwerk, soll dem Sachsenherzog Heinrich im Jahr 919 beim Vogelfang die Königskrone angetragen worden sein.

Der Finkenherd führt den Stadtbummler zum Schlossberg. Auf diesem, zu Füßen des Schlossberges gelegenen Platz, fällt ein stattliches Bürgerhaus an der Nordseite ins Auge. Seine Fassade ist durch reiche Fachwerkornamentik und einem von zwei Säulen getragenen Erker geschmückt. Das Haus wurde um 1560 im niedersächsischen Stil gebaut und befand sich von 1707 bis 1817 im Besitz der Familie Klopstock. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock wurde hier im Juli 1724 geboren. Heute beherbergt das Klopstockhaus ein literaturhistorisch-biografisches Museum. Sehenswert sind auch die Sandsteinklippen am Schlossberg.

Museen und mehr

In Quedlinburg gibt es für den interessierten Besucher viel zu sehen. Die romanische Stiftskirche St. Servatius beherbergt das Grab König Heinrichs und den berühmten Domschatz. Gleich nebenan steht das Schlossmuseum, das unter anderem die Stadtgeschichte darstellt. Das Klopstockmuseum, Schlossberg 12, erinnert an den Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock. Im wohl ältesten Fachwerkhaus Deutschlands, dem Ständerbau, ist das Fachwerkmuseum, Dekorativ: TürklinkeWordgasse 3, untergebracht. Gleich nebenan, Word 28, ist das Museum für Glasmalerei und Kunsthandwerk untergebracht. Einblicke in die Welt der Holzschädlinge gibt das Holzwurmmuseum in der Halberstädter Straße 47. Stadtführungen, auch Sonderführungen, bietet die Tourist-Info am Markt 2 an.

Informationen:

Nähere Informationen über Quedlinburg sind nachzulesen in einer der Stadtbroschüren oder in Reiseführern. Wissenswertes über die Weltkulturerbe-Stadt im Tal der Bode gibt es auch im Internet, zum Beispiel unter folgender Adresse:

Homepage der Quedlinburg-Tourismus

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